Kein Recht auf Wegerecht

Wer Vorfahrt hat, darf trotzdem nicht blindlings darauf vertrauen. So entschied das Seeamt nach einer Kollision vor Laboe.

Sekunden nach dem Zusammenstoß. Wenig später ist die Yacht "DoKäDo 3" gesunken.
Sekunden nach dem Zusammenstoß. Wenig später ist die Yacht "DoKäDo 3" gesunken.

"Beide Fahrzeugführer haben sich fehlerhaft verhalten" lautet der trockene Spruch des Seeamtes Kiel. Für Skipper D. ist dieses Fazit einer stundenlangen Verhandlung eine bittere Lehre. Als seine Yacht "DoKäDo 3" am 18. Juni um 11.27 Uhr mit dem Dreimastsegelschoner "Else Dorothea Bager" kollidierte und anschließend auf den Grund der Kieler Förde sank, hatte er eindeutig Wegerecht. Doch das allein reicht nicht aus.

Was war geschehen? Frischer Wind aus Westsüdwest und die Wettfahrten der Kieler Woche hatten Hunderte von Wassersportlern an diesem Sonntag auf der Ostsee gelockt.

So auch Einhandsegler D., der mit seiner knapp elf Meter langen "DoKäDo 3", einer Yacht vom Typ Bavaria 1060, aus der Marina Wendtorf quer über das Fahrwasser zu den Regattafeldern vor der Strander Bucht steuerte. An der grünen Fahrwassertonne 5 setzte er seine Genua und segelte hoch am Wind mit vier bis fünf Knoten auf Backbordbug und auf der Steuerbordseite des Fahrwassers in Richtung Kiel.

Die Kollision mit dem Schoner "Else Dorothea Bager" ereignete sich im Fahrwasser Zwischen Tonne 7 und 9. Die Yacht fuhr Kurs 210 auf der richtigen Seite. Kurs des Schoners: 355 Grad.

Etwa zur gleichen Zeit verließ die etwa 40 Meter lange "Else Dorothea Bager" ihren Liegeplatz am Satorikai in der Kieler Innenförde. Der junge Kapitän des dänischen Schiffes ließ zum Wohlgefallen der über 30 Chartergäste die Segel setzen und den Motor nur ausgekuppelt mitlaufen. Sein Kurs: 30 Grad in Richtung Kieler Innenförde, auf der falschen Fahrwasserseite - vermutlich, um abzukürzen. Kurz hinter der Steuerbord-Tonne 9 ging er auf 355 Grad, um einer in Lee überholenden Yacht Raum zu geben. Die auf Kollisionskurs fahrende "DoKäDo 3" sahen weder er noch seine Crew. Erst kurz vor Tonne 7 das Kommando: "Maschine volle Kraft rückwärts." Die Schreie des dänischen Schiffsführers kamen zu spät. Die "DoKäDo 3" war am Rumpf getroffen und kenterte.

Der Skipper der Fahrtenyacht hatte den Dreimaster schon von weitem kritisch beäugt. "Ich dachte, der weicht schon aus", resümiert er später vor dem Seeamt. Er setzte sich auf die Luvkante und genoß die rauschende Fahrt. Die "Else Dorothea Bager" verschwand hinter seiner 36 Quadratmeter großen Genua.

Dann drückte in Sekundenschnelle der gewaltige Bug des behäbigen Oldtimers die Yacht auf die Seite. Der Mast verschwand unter Wasser, Skipper D. sprang über Bord und wurde von der Crew des Schoners aufgefischt. Seine Yacht sank auf den sandigen Boden der Kieler Förde.

Vor dem Seeamt berief sich der wortkarge Rentner auf sein Wegerecht. Auch sein junger Rechtsbeistand - des Segelns unkundig - hatte sich auf diese Argumentation verlassen. Warum der Skipper kein "Manöver des letzten Augenblicks" einleitete, wie es gute Seemannschaft bei Kollisionsgefahr vorschreibt, konnten beide nicht beantworten. Für das Seeamt war das zuwenig. Von einem erfahrenen Segler hätten der Vorsitzende und seine vier Beisitzer erwartet, daß er die Schwerfällig von Oldtimern einschätzen kann und mit seiner wendigen Yacht rechtzeitig ausweicht. Seinen Befähigungsnachweis darf er behalten - genauso wie der junge Däne, dem ein deutsches Seeamt kein Patent abnehmen darf.

Weniger Pech hatten die beiden Männer mit den materiellen Konsequenzen der Havarie: Skipper D. hatte seine Bavaria für 200.000 Mark kaskoversichert, die ihm prompt überwiesen wurden. Am hölzernen Rumpf der "Else Dorothea Bager" hatte der Aufprall ohnehin nur ein paar Kratzspuren hinterlassen.

Die Bergung

Erst nach langer Suche wurde die Segelyacht mit Hilfe eines modernen Sonargerätes geortet
Erst nach langer Suche wurde die Segelyacht mit Hilfe eines modernen Sonargerätes geortet

Spannend wie ein Krimi verlief die Bergung der Segelyacht "DoKäDo 3". Ungenaue und falsche Hinweise auf den genauen Unfallort hätten beinahe dazu geführt, daß die Yacht für alle Zeiten auf dem Grund der Kieler Förde verschwunden wäre. Doch die Versicherung des Skippers erhoffte sich von dem gehobenen Wrack einen ordentlichen Restwert.

Sie beauftragte den Gutachter Oliver Franzius, den Eigner bei der Bergung zu unterstützen. Franzius forschte zunächst bei der Wasserschutzpolize Kiel und dem Wasser- und Schiffahrtsamt Lübeck nach den exakten Koordinaten des Unfallortes. Fehlanzeige. Die beiden Positionen wiesen eine Differenz auf, und auf dem Echolot des Suchschiffs ließ sich nur ein schwacher Kontakt ausmachen. Die "DoKäDo 3" war es nicht. Dafür fanden die Taucher Reste eines zirka 15 Meter langen Holzrumpfes aus der "Kaiserzeit". Franzius mobilisierte die Bundesmarine und das Forschungsschiff "Deneb". Die Suche des Minenjagdbootes blieb ebenfalls erfolglos. Die "Deneb", eines der modernsten Wracksuchschiffe der Welt und eigentlich mit einem Auftrag am Leuchtturm Kiel beschäftigt, machte für den Sachverständigen einen Umweg über den steuerbordseitigen Fahrwasserbereich der Kieler Innenförde - und wurde fündig. Zwischen Tonne 7 und 9, eindeutig im Bereich des Fahrwassers, wurde ein Wrack ausgemacht. Doch wieder war es nicht die "DoKäDo 3".

Die Yacht wurde durch den Einsatz von Tauchern und einem Kran gehoben
Die Yacht wurde durch den Einsatz von Tauchern und einem Kran gehoben

Inzwischen waren Fotos aufgetaucht, die ein Chartergast der "Else Dorothea Bager" zum Zeitpunkt der Kollision aufgenommen hatte. Der Sachverständige peilte anhand der Bilder noch mal die genaue Position der Havarie.

Volltreffer. Bei einer erneuten Suche orteten die Männer des Forschungsschiffs "Deneb" endlich die Yacht. Taucher lokalisierten das Schiff im 16 Meter tiefen Wasser. Mit Hilfe eines Schwimmkrans wurde es wenig später gehoben und in Laboe an Land gestellt.

Für das beschädigte Schiff erzielte die Versicherung wenige Tage später einen Restwert von 25 000 Mark.

Jetzt muß vor einem Zivilgericht entschieden werden, welchen Anteil die Assekuranz des dänischen Skippers an den Schadens- und Bergungskosten trägt.

(Autorin: Ulrike Schreiber)